Mi., 7.9.2005
 
 
12 User online
 
 
 
 
 
 
 
 

Kolumne
Freitag, 8.4.05
"Self fulfilling prophecies" und Sexualtherapie
Was hindert uns, unser bestes Tennis gerade dann abzurufen, wenn wir es haben wollen?

"Ich spüre schon, das wird heute eine bescheidene Stunde!" eröffnete mir unlängst eine meiner Tennisschülerinnen nach Ablauf der ersten drei Minuten. Genau genommen verwendete sie nicht "bescheiden", sondern einen wesentlich kräftigeren Ausdruck aus der Umgangssprache – aber man will ja die jugendlichen Leser nicht verschrecken, die bei der Überschrift sowieso schon hellhörig geworden sind.

Nun wissen wir natürlich alle, was aus dieser Tennisstunde wurde. Sie war tatsächlich mehr als bescheiden, mit leichten Tendenzen zur Frustration und Anklängen genereller Unlust am edlen weißen Sport. Um diese selbsterfüllenden Mechanismen ablaufen zu sehen, braucht man nicht unbedingt die vielzitierte "Hausfrauenstunde" als Referenz. Bis hin zu Schettls bekanntem Sager "Als ich in der Früh sah, dass der Wind geht, wusste ich schon, dass heute nicht mein Tag wird!" und der darauf folgenden Brille seitens der unerbittlichen Serena sind Tennisspieler aller Leistungsstufen problemlos in der Lage, sich in den Misserfolg hineinzureden. Beim Erfolg tun wir uns da nicht so leicht.

Einer der Hauptgründe für die Diskrepanz zwischen Wollen und Können ist nach meinem Dafürhalten ein Missverhältnis zwischen Motivation – vulgo als "Ehrgeiz" bekannt – und Selbstvertrauen. Man will unbedingt tolles Tennis spielen, traut sich das andererseits nicht recht zu. Wenn die ersten beiden Vorhände die Plane finden, hat man's ja immer schon gewusst, dass man zu schlecht ist. Umso genauer betrachtet man die nächsten beiden Vorhände in Hinblick auf ihre Wirkung auf den Gegner, erhöht womöglich noch das Tempo und nimmt die Linien genauer ins Visier – und fertig ist die Frustration samt anschließender ungewollter Leistungsverweigerung.

Potenziert wird das Phänomen noch durch das Gefühl des "Gewinnen-Müssens". Sei es aus eigenem Antrieb im Finale des B-Bewerbs der Vereinsmeisterschaften, sei es aus Gründen der Mannschaftsdienlichkeit in der entscheidenden Partei um den Aufstieg in die nächsthöhere Klasse. Die Weichen für Leistung deutlich unter dem persönlichen Horizont sind jedenfalls gestellt. Das passiert aber auch viel Besseren als wir es sind. Meine Lieblingsanekdote zum Thema datiert aus dem Jahr 1985, als der eiserne Vorhang noch ziemlich dicht war und Sportler aus Ostländern noch nicht beliebig in der Weltgeschichte herumreisen konnten. Damals spielte Miloslav Mecir in Düsseldorf gegen Jimmy Connors und hatte ihn schon angezählt. "Die Katze" führte 5:4 im Entscheidungssatz und hatte eigenen Aufschlag. Prompt fabrizierte Mecir drei oder vier Doppelfehler am Stück, traf auch sonst überall hin, nur nicht den Raum innerhalb der Linien und servierte abschließend ungefährdet zu seinen Ungunsten aus.

Nach dem Spiel zu den Gründen für den plötzlichen Umschwung befragt, gab der Tscheche zu Protokoll: "Bei 5:4 habe ich mir gedacht: Wenn ich dieses Spiel gewinne, bekomme ich so viel Geld, dass mein Vater nie wieder arbeiten gehen muss." Irgendwie dürfte Milo der Druck, auch für den Vater zu spielen, zu viel geworden sein.

Das Beruhigende ist: Diese Mechanismen laufen nicht nur im Tennis ab. Der Kabarettist und Sexualtherapeut Bernhard Ludwig stellt in seinen Seminaren gerne folgende Gleichung auf:

Das Maß der sexuellen Unzufriedenheit =
Erwartetes
Erreichtes


Je mehr man erwartet, umso unzufriedener wird man sein – zumal man das, was man erreicht, gerade beim Sex nicht so hundertprozentig vorhersagen kann (außer bei der Handarbeit, zugegeben). Lässt man aus obiger Gleichung nun das Schlüsselwort „sexuell“ weg, ergibt sich ein generell toller Leitfaden für ein eher unzufriedenes Leben – abseits, aber sehr wohl auch am Tennisplatz.

tennisweb-Kolumnist Arno Dupal ist freier Journalist und Tennistrainer.

War diese Kolumne am Punkt oder out? Deine Meinung ist gefragt - klick dich jetzt ins tennisweb-Forum!
 
 
 
zurück zur Übersicht

Hinweis zum Thema Urheberrecht

im Forum diskutieren
Diese Meldung versenden


Auf den Punkt
„Süßer die Glocken nie klingen ...“
Die Mär vom warmen Eislutscher
Das Anti-Tennis-Projekt
Die größten Tennis-Lügen
Der Wille zum Kabarett
Zu viel des Guten
Alles, was Recht ist
Kopf- statt Handarbeit
Trojanische Pferde
Sport und Politik

 
 
» Registrieren
 
tennisweb-Updates:
News:
Ergebnisse:
Community:



über tennisweb.at : : Nutzungsbedingungen : Impressum