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Montag, 3.5.2004
"Wir alle haben Fehler gemacht"


Der Abstand zu Jürgen Melzer wächst, jener zu Alex Peya und Daniel Köllerer schmilzt. Die ATP-Rangliste vom 3. Mai wirft ihn erstmals seit fast fünfeinhalb Jahren nicht unter den besten hundert Spielern der Welt aus - und das am Tag nach einer Niederlage gegen den knapp unter Platz 200 stehenden Italiener Dell'Acqua, der keine Berühmtheit ist. - Fakt ist: Stefan Koubek steckt in einer hartnäckigen Krise, in der wohl tiefsten seiner schon ein rundes Jahrzehnt dauernden Profi-Laufbahn. Sein langjähriger Betreuer Günter Bresnik analysiert im tennisweb-Interview die Entstehung des Tiefs - und er warnt davor, seinen Schützling schon abzuschreiben.

Stefan selbst spricht von einer Krise, in der er steckt. Zu Recht?

Völlig zu Recht.

Wie kommt er da wieder raus?

Um diese Frage beantworten zu können, muss man zuerst schauen, wie er rein geschlittert ist. Auslöser - ich sage nicht Grund - waren diese Verletzungen 2002 und 2003, als er gut vorbereitet war, gut gespielt hat. Das war eine neue Erfahrung für ihn, er war ja vorher quasi nie angeschlagen. Und mit der neuen Situation konnte er nicht gut genug umgehen. Dadurch ist er in einen Teufelskreis gekommen, den er seither nie durchbrechen konnte: Er hat zu lang in die Verletzung hinein gespielt und ist zu früh wieder auf Turniere gegangen, dann hat er nichts gewonnen, sein Selbstvertrauen war angeknackst - und im Hinterkopf waren zugleich immer noch die Maßstäbe des 22-, 23-Jährigen, der aus der Quali heraus ein ATP-Turnier gewinnt. Aber dieser innere Maßstab hat eben mit der äußeren Realität nicht zusammen gepasst, mit der Zeit immer weniger. Was dann noch dazu gekommen ist, das war die Angst davor, sich neuerlich zu verletzen, wenn er wieder so hart trainiert wie als 20-, 21-, 22-Jähriger. Plötzlich hat der Rücken gezwickt, die Schulter, der Ellbogen. Dadurch hat er dann auch begonnen, mit angezogener Handbremse zu trainieren. Das hat sich eingeschlichen, unbewusst, das sind lauter Kleinigkeiten, und in Summe ist daraus dieser große Teufelskreis geworden, in dem er in Wahrheit seit zwei Jahren tief drinnen steckt.

Und den er wohl auch deswegen nicht durchbrechen konnte, weil er genau davor Angst gehabt hat, was jetzt eingetreten ist: vor dem Absturz im Ranking.

Das stimmt, das ist noch dazu gekommen. Das Viertelfinale bei den Australian Open 2002 und der Doha-Sieg 2003 waren, wenn man's rankingtechnisch sieht, kosmetische Erfolge. Das waren zwar keine Zufälle, weil sie Folge seriöser Vorbereitung im Winter waren, aber sie haben die mageren Leistungen kaschiert, die er sonst auf der Tour geliefert hat. Aber diese mageren Leistungen hatten eben auch mit den Verletzungen zu tun - das ist eine Tatsache, keine Entschuldigung.

Diese Punkte im Hinterkopf, die man verteidigen muss - die sind als Belastung, ironisch gesagt, jetzt ja zum Glück weg. Jetzt sind sogar die München-Punkte draußen.

Das muss man gar nicht zynisch sagen - es ist für den Stefan selbst ein Signal, dass es einen Neubeginn gibt, dass es ihn geben muss. Die Krise, in der er jetzt steckt, ist die tiefste in seiner professionellen Karriere. Und es ist zugleich die größte Chance für ihn seit vielen Jahren.

Krise als Chance? Das klingt eher esoterisch.

Wenn er diese Krise richtig meistert, wenn er sich da in kleinen Schritten mühsam rausarbeitet, durch konsequentes, über Monate dauerhaftes professionelles Training, dann kann die Überwindung dieser Krise ein riesiges Sprungbrett für ihn sein. Dann kann er wirklich wie ein Phönix aus der Asche wieder aufsteigen. Es liegt, wenn er verletzungsfrei bleibt, nur an ihm.

Sieht Stefan das selbst auch so?

Nach dem Einsatz und der Konsequenz im Training der letzten Wochen zu urteilen: eindeutig ja. Er hat den Ernst der Lage erkannt. Er ist jetzt sehr ruhig, sehr selbstkritisch, aber auch sehr entschlossen. Mir gefällt das, wie er sich der Krise stellt. Ich bin sehr zuversichtlich.

Du bist seine wichtigste Bezugsperson, seit vielen Jahren. Hast du auch Fehler gemacht?

Ja, Fehler haben wir alle gemacht, nicht nur er, sondern natürlich auch ich.

Viele Beobachter halten es für unverantwortlich, dass du Stefan auf Tour nur selten begleitest.

Unverantwortlich wäre es gegenüber meiner Familie und gegenüber Stefan, wenn ich immer dabei wäre. Der Familienvater Günter Bresnik wäre ein schlechter, weil halbherziger Touring Coach. Ein Spieler, noch dazu einer wie Stefan, verdient das ganze Herz eines Begleiters. Peter Znehnalik ist als Touring Coach für Stefan besser geeignet als ich.

Wie geht's jetzt weiter? Morgen geht's als Lucky Loser gegen Mirnyi - von Debakel bis Sensation ist alles möglich, oder?

Wenn er Mirnyi morgen schlagen würde, wäre das eine sehr große Überraschung, aber ausgeschlossen ist es nicht. Wichtig für seine weitere Entwicklung wäre das aber nicht besonders. Es wäre auch kein Malheur, wenn er eine Zeitlang auf Challenger wechseln würde. Es geht nicht um kurzfristige Erfolge, sondern um einen langfristigen, seriösen Aufbau. Eigentlich um einen Wiederaufbau.

Wäre es - im Sinne von "Geht ja eh schon wieder!" – vielleicht sogar kontraproduktiv, wenn er Mirnyi schlagen würde?

Nein, da mache ich mir keine Sorgen. Der Stefan hat wirklich verstanden, wo er steht und wie es um ihn steht - und um was es jetzt geht. Es fehlen ihm einfach die Schläge, es fehlt die erarbeitete Selbstverständlichkeit, mit der er sein instinktives, intuitives Spiel umsetzen kann. Dafür sind hunderttausende, Millionen von Schlägen im Training nötig. Das weiß er.

Die ersten paar tausend waren's in den letzten Wochen schon.

Und er spielt im Training auch schon wieder deutlich besser. Er verkrampft noch extrem im Match, bringt höchstens 50 Prozent der Trainingsleistungen. Aber das ist ein vorübergehendes Problem. Wenn er so weitermacht wie zuletzt, dann legt sich das von selber. Es ist nicht alles perfekt, aber es ist vieles sehr gut. Er ist auf dem richtigen Weg.

Kommen wir noch einmal auf den Beginn des Gesprächs zurück: Was man als Außenstehender nicht versteht, was dem Stefan Koubek auch viele Fans vorwerfen, das ist diese Diskrepanz zwischen Potenzial und Erfolgen. Wird er dieses Image des ewigen, verschlampten Talents noch einmal in seiner Karriere los?

Er war jetzt fünfeinhalb Jahre lang permanent unter den Top 100 - das ist objektiv gesehen eine Weltklasseleistung. Wenn einer verschlampt ist, dann kommt er nicht einmal in die Nähe der Top 100, geschweige denn, dass er sich über fünf Jahre dort hält. Also muss man bei aller berechtigten Kritik auch fair sein.

Aber es ist doch eine Tatsache, dass Stefan Koubek als herausragendes Talent gilt.

Tatsache ist, und ich werde nicht müde, das zu wiederholen: Das Wort "Talent" wird von den allermeisten Menschen meiner Meinung nach unzureichend definiert; wahrscheinlich die größte Begabung, die ein Spieler haben kann, ist die zu arbeiten. Und ich sage: Das ist auch eine Begabung, das ist keine reine Sache des Wollens, die man aufdreht wie einen Lichtschalter.

Aber es gibt eben einerseits den Maßstab Thomas Muster, und es gibt andererseits den auch von Stefan selbst gesetzten Maßstab der Top 20 - den hat er ja auch schon erreicht. Umso mehr fordern die Fans, dass er es noch einmal schafft. Zumal es kaum jemanden gibt, der ihm das Talent dafür abspricht - Talent im spielerischen Sinn.

Da ist der Vorwurf auch berechtigt. Er hat jahrelang mehr von den Top 20 geredet als an den Top 20 gearbeitet - die Wurzel der Krise liegt in der Zeit, als ihm alles aufgegangen ist. Da hat er nachgelassen. Aber den Preis dafür zahlt er jetzt doppelt und dreifach - genauso wie er früher jahrelang davon gezehrt hat, dass er von 18 bis 21 extrem viel gearbeitet hat. Deswegen sage ich auch: Wenn er diese Krise, in der er jetzt steckt, überwindet, und zwar dauerhaft, also durch seriöse Arbeit, dann ist das objektiv als große Leistung zu respektieren. Wenn der Stefan Koubek noch einmal in die Top 20, Top 30 kommt, nach diesem Tief, dann muss man den Hut vor ihm ziehen.

Schafft er es noch einmal? Wird es einen zweiten Höhenflug in der Karriere des Stefan Koubek geben?

Ja. Ich glaube es schon. Wenn er von Verletzungen im Großen und Ganzen verschont bleibt und diesen Biss behält, den er jetzt hat, steht er in zwölf bis 18 Monaten zwischen Platz fünfzehn und dreißig. Ich bin jetzt mehr als zwanzig Jahre dabei. Ich hab genug Erfahrung zu sehen, wenn einer unterwegs ist in der Richtung, dass er in absehbarer Zeit gut spielt. Und ich seh' da was beim Stefan.

Interview:




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