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Freitag, 22.10.2004
Kreuzerl mit Konsequenzen
 
Weil sie die falsche Rubrik angekreuzt haben, verlieren zwei der talentiertesten Mädchen Österreichs jegliche Unterstützung – so will es der Verband.

 
Da staunt man, was Jugendliche heutzutage alles dürfen: Zwar ist ihnen bis zum achtzehnten Lebensjahr nicht einmal gestattet, in Eigenregie eine neue Wohnzimmergarnitur fürs elterliche Heim zu kaufen, aber Verträge über ihre weitere Tenniskarriere bzw. das mögliche Ende derselben dürfen sie unterschreiben – sogar, wenn sie über die Konsequenzen nicht aufgeklärt wurden.

Es begab sich im März des heurigen Jahres, dass der ÖTV an eine Reihe erfolgreicher JugendspielerInnen einen Brief ausschickte. Da man die Jugendlichen nicht mit einem Übermaß an Information überfordern wollte, war das Schreiben recht schlicht gehalten und enthielt im Wesentlichen zwei Fragen: 1) "Wärest Du bereit, an einer Sichtung des Verbandes anlässlich der Spring Bowl teilzunehmen?" Sowie 2) "Wärest Du im Falle einer positiven Sichtung bereit, ab Herbst in die Südstadt zu übersiedeln?" Jeweils dabei: Ein Kasterl für "Ja", eines für "Nein".

Nun ist, wohl für jedermann ersichtlich, Frage 1 wesentlich leichter aus dem Stegreif zu beantworten als Frage 2. Um zu entscheiden, ob man zu einer Sichtung fahren möchte, braucht man nur ein Datum samt Uhrzeit und schlimmstenfalls einen Atlas, um unfallfrei nach St. Pölten zu finden. Um zu beantworten, ob ein sechzehnjähriger Tennisspieler seine Heimat hinter sich lässt, um auf unbestimmte Zeit in den Süden Wiens zu übersiedeln, hätte man womöglich doch gerne nähere Informationen: "Wer ist mein Trainer, in welcher Gruppe spiele ich, wie viel trainiere ich, in welche Schule kann ich gehen, wo werde ich wohnen und was kostet der ganze Spaß?" Keine dieser Angaben war im Verbandsbrief enthalten. Nur ein Kasterl für "Ja", eines für "Nein" – klein, viereckig und unschuldig.

Weit und breit auch kein Hinweis darauf, welche Konsequenzen ein falsches Kreuzerl haben könnte. Und so kreuzten die beiden Tirolerinnen Franziska Klotz und Iris Khanna frohgemut bei Frage 1 "Ja" und das zweite Mal "Nein" an, um sich nach St. Pölten zu begeben, wo sie erfuhren, dass sie "positiv gesichtet" worden wären. Anschließend fuhren die U16-Staatsmeisterin und die Semifinalistin wieder in die Heimat, um sich kurz darüber zu freuen, dass ihre Leistungen offensichtlich anerkannt worden waren und trainierten eifrig weiter. Dann herrschte längere Zeit Funkstille.

Kaum vier Monate später kam es zu einer Mitteilung des ÖTV an den Tiroler Landesverband. Inhalt: Da Khanna und Klotz das Angebot des ÖTV abgelehnt hätten, wären sie mit sofortiger Wirkung aus allen Förderungen des TTV auszuschließen. Sollen halt schauen, wo sie bleiben, wenn sie ihr Kreuzerl an der falschen Stelle machen. Nun existiert tatsächlich eine Übereinkunft des Länderkuratoriums, wonach die Landesverbände ihre talentiertesten Jugendlichen mit 16 Jahren an den ÖTV abzugeben hätten, falls diese ein Angebot desselben erhalten würden. Nur ist es wohl nicht zu viel verlangt, wenn ein "Angebot" ein wenig mehr enthält als nur eine Möglichkeit zum Ankreuzeln.

Wie wäre es gewesen, hätte man z.B. die Eltern, oder vielleicht sogar die Trainer, in den Entscheidungsprozess eingebunden, hätte ein Mal angerufen, um die Spieler zu überzeugen? Nichts dergleichen geschah, da die Spielerinnen "ja ohnehin im April ihr Desinteresse an einer Übersiedlung in die Südstadt bekundet" hätten – wie es von Seiten des Verbandes heißt.

Da haben also zwei Jugendliche ihre Karriere durch einen multiple choice-Test der ganz einfachen Sorte zerstört – noch dazu ohne sich dessen bewusst zu sein. So gesehen wäre es sowohl billiger als auch ungefährlicher gewesen, sie hätten ohne Wissen der Eltern die neue Wohnzimmergarnitur erstanden – ein Geschäft, das im übrigen per Gesetz als nichtig zu betrachten ist. Aber über die Fortsetzung ihrer Tenniskarriere dürfen 16-Jährige entscheiden – freihändig, per Ankreuzen. Täuscht mich das, oder stimmt da etwas nicht?

Im übrigen hat die Geschichte fürs Erste ein happy end: Der Tiroler Verband setzt sich über die Entscheidung des ÖTV hinweg und fördert die Mädels wie bisher weiter. Gegen die Regeln? Aber menschlich!

tennisweb-Kolumnist Arno Dupal ist stellvertretender Chefredakteur des Magazins "Happy Tennis".

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