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Freitag, 12.11.2004
Der Spaß am Tennis – und Kamele
 
Wie Sie aus mehr oder weniger bescheidenen Möglichkeiten das Beste machen – und ein paar positive Ergebnisse mehr einfahren.

 
Vor ziemlich genau einer Woche war mir das Vergnügen beschieden, nach langen Jahren der Abstinenz wieder einmal an einer Wintercup-Partie teilzunehmen. Im Zuge dieses denkwürdigen Ereignisses begab es sich, dass unser hochgeschätzter Mannschaftsführer mit 6:1 und 5:1 beinahe uneinholbar vorne lag, ab dann jedoch offensichtlich von der Last der Verantwortung niedergedrückt wurde und den Satz mit Ach und Krach und Bauchweh gerade noch im Tiebreak nach Hause spielte. Nicht vordergründig deswegen, weil er sich plötzlich wieder seiner Stärke besonnen hätte, sondern weil sein Gegner mit dem Bewußtsein, wider Erwarten doch noch dem Sieg nahe zu sein, ebenso wenig anfangen konnte und seinerseits schwer schwächelte.

Wer selbst noch nie eine hohe Führung aus der Hand gegeben hat, möge an dieser Stelle die Lektüre einstellen – es werden die wenigsten sein. Aus diesem Stoff sind Alpträume gemacht – und so mancher Klassespieler geht als tragische Figur in die Geschichte ein. Was wissen wir noch von Jana Novotna? Die Szene, in der sie sich an der Schulter der Herzogin von Kent ausweint, weil gegen Steffi Graf eine 4:1-Führung im Entscheidungssatz schließlich doch zu wenig war. Im Hobbybereich wird man zwar nicht gleich zum tragischen Helden geadelt – aber Mitleid ist trotzdem nicht ganz das Gefühl, das man bei Kollegen, Freunden und den Zuschauern (falls anwesend) hervorrufen möchte.

Wer oder was ist daran schuld, dass sicher geglaubte Siege sich noch in Niederlagen verwandeln? Nimmt man die verbalen Äußerungen der Betroffenen für bare Münze, kommt man auf eine relativ überschaubare Anzahl grundsätzlicher Möglichkeiten: Die „Scheiß Vorhand/Rückhand/etc.“, die eigene Trottelhaftigkeit, die allgemeine Unform am heutigen Tag, das unverdiente Glück des anderen sowie Wind, Sonne, der indiskutable Platzzustand und andere äußere Einflüsse. Letztere Ausreden fallen bei Wintercups kaum ins Gewicht und werden generell mit den ersten Sonnenstrahlen des Frühjahrs wieder aus dem Gedächtnis gekramt. Allen gemeinsam ist, dass sie entweder nichts mit der tatsächlichen Performance zu tun haben – oder als produktive Analyse völlig unbrauchbar sind. Die mäßige Vorhand-Technik führte einen immerhin bis zum 5:1 recht gut durch die Partie, sich selbst zum Idioten abzustempeln bringt keine spielerischen Vorteile – und ähnlich verhält es sich mit dem Rest der Pseudo-Analysen.

Also stellt sich die Frage: Was bringt einen weiter und verwandelt auch das letzte Game?

1) Der wichtigste Grundsatz von allen: „Tennis macht Spaß!“ Immer, überall und bedingungslos. Keiner von uns spielt um Millionen, sondern rein des Vergnügens wegen – also sollte es das auch sein. Wenn der innerliche Druck zu groß wird, begegnen Sie ihm mit einem Lachen. Das befreit erwiesener Maßen. Haben Sie Spaß und zeigen Sie ihn auch. Wenn Sie partout keine Freude empfinden, dann tun Sie als ob. Gute Tennisspieler sind auch gute Schauspieler – zumindest am Platz.

2) „Denken Sie nicht nicht an Kamele!“ Den ganzen heutigen Tag, vermutlich sogar die ganze Woche, haben Sie noch nie an ein Kamel gedacht. Jetzt, wo Sie dezidiert nicht an ein solches denken sollen, haben Sie es garantiert vor dem geistigen Auge – ob mit einem oder zwei Höckern, ist dabei nicht so entscheidend. Ebenso verhält es sich z.B. mit dem Doppelfehler. Es nützt nichts, sich besonders darum zu bemühen, nach dem dritten Doppler ja nicht an den vierten zu denken – das hilft ja auch bei Alkoholikern nicht. Stattdessen gehört etwas Konkretes her, wie etwa das fixe Vorhaben, mit Spin auf die Rückhand zu servieren.

3) „Der nächste Punkt ist der wichtigste!“ Dieses Zitat stammt von Stan Smith, weiland immerhin Wimbledon-Sieger. Daraus ergibt sich weiters, dass jeder Punkt gleich wichtig ist. Es gibt keine Big Points – Sie versuchen lediglich, jeden einzelnen Punkt so vernünftig wie möglich zu spielen. Auch international gewinnt in ca. 95% aller Fälle derjenige, der insgesamt mehr Punkte erzielt hat als sein Gegenüber. Es ist also statistisch blunzn, ob Sie den Breakball bei 5:6 abwehren oder nicht. Hätten Sie vorher schon immer den nächsten Punkt als den wichtigsten betrachtet, wäre es womöglich gar nicht so weit gekommen.

4) Abschließend noch eine Anekdote, die den Unterschied zwischen theoretischem Wissen und praktischer Umsetzung dokumentiert: Auf einem meiner Tenniscamps heuer im Frühjahr engagierte ich einen Mentaltrainer, der den Spielern genau diese mentale Stärke vermitteln sollte, an der sie gerne scheitern. Der Guru, studierter Dr.med. und Absolvent gediegener Lehrgänge in Fernost, hielt seinen Eröffnungskurs über Atemübungen und vermittelte dabei profundes Wissen. Am nächsten Tag spielte er ein Jux-Matcherl gegen einen ziemlich ebenbürtigen Gegner, das nach ca. anderthalb Stunden bei 5:5 angelangt war. Daraufhin sprach der Guru: „Sorry, aber ich spüre, wie mich meine innere Kraft verläßt – ab jetzt bringt´s nix mehr!“ Sprach´s, gab dem Gegner die Hand und trat ab.

5) Conclusio: Es hilft nichts, sich mit Wissen vollzustopfen – Sie müssen es leben!

tennisweb-Kolumnist Arno Dupal ist stellvertretender Chefredakteur des Magazins "Happy Tennis".

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